Abfindung steuerfrei bei Wohnsitz in der Schweiz?
Eine Abfindung, die ein in der Schweiz ansässiger Arbeitnehmer in Deutschland erzielt hat, kann unter Umständen steuerfrei sein.
Der Beitrag erläutert die derzeitige Rechtslage für Abfindungen, die in Deutschland als Quellenland ihren Ursprung haben und deren Empfänger seinen Wohnsitz inzwischen in der Schweiz hat.
Steuer auf Abfindung in der Schweiz
In der Schweiz werden Abfindungen aus nicht-selbständiger Arbeit, die Zuzügler für den Verlust ihres Arbeitsplatzes in Deutschland erhalten, unter bestimmten Voraussetzungen nicht besteuert. Um derartige "weiße Einkünfte" zu verhindern, hat Deutschland mit der Schweiz eine Verständigungsvereinbarung abgeschlossen, wonach das Besteuerungsrecht in jedem Fall Deutschland zufallen soll. Dieses widerspricht jedoch den grundsätzlichen Regelungen im einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen, welche das Besteuerungsrecht dem jeweiligen Ansässigkeitsstaat zuweist.
Voraussetzung ist hiernach zunächst, dass die Abfindung ausschließlich für den Verlust eines Arbeitsplatzes in Deutschland ausgezahlt wird und somit keinen konkreten Zusammenhang zur ehemaligen Tätigkeit aufweist. Das ist bei Abfindungen der Fall, die lediglich als Kompensation für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt werden. (Im Unterschied zu Abfindungen, die für Erfolge oder die Dauer der Betriebszugehörigkeit gezahlt werden und somit einen direkten Bezug zur Tätigkeit aufweisen.)
Weiterhin muss der Empfänger eine natürliche Person sein und darf zum Zeitpunkt der Auszahlung weder seinen Wohnsitz, noch seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland haben. Er muss bei Auszahlung der Abfindung bereits in der Schweiz ansässig sein.
In diesem Fall sind die Einkünfte der Abfindung in Deutschland grundsätzlich nur beschränkt einkommenssteuerpflichtig ( § 1 Abs. 4 , §49 Abs. 1 Nr. 4 d EStG ).
Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland / Schweiz
Damit beschränkt einkommenssteuerpflichtige Einkünfte nicht sowohl im Quellenland (Deutschland), als auch dem neuen Wohnsitzstaat (Schweiz) versteuert werden, gibt es Abkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung (kurz: Doppelbesteuerungsabkommen = DBA).
Auch mit der Schweiz gibt es ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA CH).
Im DBA zwischen Deutschland und der Schweiz wurde vereinbart, dass natürliche Personen in der Regel nur in ihrem Wohnsitzstaat einkommenssteuerpflichtig sind (Art. 15 Abs. 1 DBA CH). Das wäre hier die Schweiz, weil der Empfänger nun in der Schweiz ansässig ist. Dort wird die Abfindung unter den oben genannten Voraussetzungen jedoch häufig nicht versteuert.
Weil die Abfindung keinen konkreten Bezug zur ehemaligen Tätigkeit in Deutschland aufweist, scheidet der Ausnahmetatbestand aus Art. 15 Abs. 1 S. 2 DBA CH für eine Besteuerung in Deutschland aus.
Besteuerung einer Abfindung in Deutschland unter Beachtung des DBA CH
Das DBA zwischen Deutschland und der Schweiz geht den Regelungen des deutschen EStG vor.
Das führt nun dazu, dass die Einkünfte der Abfindung auch nicht in Deutschland versteuert werden. Wenn die Abfindung nämlich für den Verlust eines Arbeitsplatzes gezahlt wird, dann handelt es sich dabei um einen Ausgleich für den Verlust der Arbeitsstelle und den damit verbundenen Nachteilen, wie beispielsweise entgangene Einkünfte.
In diesen Fällen steht die Abfindung in keinem konkreten Zusammenhang mit der bisher ausgeübten Tätigkeit im Quellenstaat; also Deutschland. Nach Ansicht der deutschen Finanzgerichte besteht der Zusammenhang zwischen der Abfindung und der alten Tätigkeit nämlich nur aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (sogenannter Anlasszusammenhang).
Dieser bloße Anlasszusammenhang ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht ausreichend für eine Besteuerung im Quellenland Deutschland (vgl. bereits BFH Urteil vom 24.02.1988 I R 143/84, zuletzt Urteil vom 02.09.2009 I R 111/08). Der Bezug zur ehemaligen Tätigkeit in Deutschland ist für eine Besteuerung dort zu gering.
Eine andere rechtliche Beurteilung kommt nur infrage, wenn die Abfindung für die vergangenen Leistungen des Empfängers gezahlt und anhand der Tätigkeitsjahre bemessen wird.
Dann besteht nämlich ein konkreter Zusammenhang zwischen der Abfindung und der bisher ausgeübten Tätigkeit.
Gleiches gilt zum Beispiel für eine Bonuszahlung, die für vergangene Leistungen gezahlt wird und somit einen konkreten Bezug zur damaligen Tätigkeit im Quellenland aufweist.
Solche Einkünfte müssten in Deutschland versteuert werden (vgl. den Wortlaut „dafür“ in Art. 15 Abs. 1 S. 2 DBA CH).
Bei Abfindungen, die für die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, fehlt es aber am direkten Bezug zur damaligen Tätigkeit. Eine Besteuerung in Deutschland scheidet daher aus (s.o.).
Umgehungsversuche der deutschen Finanzverwaltung
Die Finanzverwaltung hat mehrfach versucht, solche sogenannten „weißen Einkünfte“ zu vermeiden; also eine doppelte Nichtbesteuerung sowohl in Deutschland, als auch in der Schweiz.
Hierfür wurden nacheinander eine Verständigungsvereinbarung, eine ergänzende Verständigungsvereinbarungen und eine Rechtsverordnung in Form einer Konsultationsvereinbarung erlassen.
Bisher führte aufgrund der bereits zitierten Urteile der Finanzgerichte keine Maßnahme zum gewünschten Erfolg.
Zusammenfassung Steuer auf Abfindungen Wohnsitz Schweiz
Aufgrund der aktuellen Rechtsprechung scheint es derzeit keine gültige Rechtsgrundlage für die Besteuerung einer Abfindung zu geben, die in Deutschland ihren Ursprung hat und deren Empfänger mittlerweile in der Schweiz ansässig ist.
Deshalb sind in der Schweiz ansässige Abfindungsempfänger von einer deutschen Besteuerung geschützt. Gleiches gilt wohl auch für Arbeitnehmer, die in Großbritannien ansässig sind. Auch dort zahlen Zuzügler häufig keine Steuern auf eine Abfindung, die auf die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses im Ausland gerichtet ist.
Die aktuelle und zukünftige Rechtsprechung sollte weiterhin beobachtet werden. Laufende Verfahren sollten deshalb mit Hinweis auf die derzeitige Rechtsprechung geführt werden.
Deshalb ist eine kompetente Prüfung bei Abfindungszahlungen mit Auslandsbezug sowohl für den Arbeitgeber, der die Lohnsteuer abführt, als auch den Arbeitnehmer notwendig. Auch kann unter Umständen durch geschickte Ausnutzung der Fünftelregelung die Steuerlast gemindert werden.
Ihr Anwalt bei Abfindungszahlungen mit ausländischem Wohnsitz
Bei einem Auflösungsvertrag steht viel Geld auf dem Spiel. Insbesondere bei Abfindungen mit Auslandsbezug ist fachlicher Rat unerlässlich.
Unsere Fachanwälte für Arbeitsrecht in Köln und Bonn beraten Sie gerne in allen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Abfindung, der Besteuerung einer Abfindung oder einem Auflösungsvertrag.