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Beschränkte Steuerpflicht und der Progressionsvorbehalt für außerordentliche Einkünfte

Arbeitnehmer, die ihren Wohnsitz im Ausland haben und in Deutschland beschränkt steuerpflichtig sind, müssen ab dem Veranlagungszeitraum 2020 ihre ausländischen außerordentlichen Einkünfte (insb. Entschädigungsabfindung oder Aktienoptionen) in einer Einkommensteuererklärung angeben und unterliegen hiermit sogar dem Progressionsvorbehalt. Dies führt in der Regel auch zu einer erhöhten Steuerlast für die hier erzielten inländischen Einkünfte, die jedoch unter Umständen durch geschickte Steuergestaltung positiv beeinflusst werden kann.Durch den neu geschaffenen Pflichtveranlagungstatbestand des § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 c) EStG besteht darüber hinaus dann vielfach auch überhaupt erstmals die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung. 

  • Neuer Pflichtveranlagungstatbestand nach § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 c) EStG
  • Auswirkung des Progressionsvorbehalts bei beschränkter Steuerpflicht
  • Optimierung der Steuerlast durch Beeinflussung des Progressionsvorbehalts
  • Zusammenfassung
  • Hilfe bei steuerrechtlichen Fragen

Neuer Pflichtveranlagungstatbestand nach § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 c) EStG:

Wer in Deutschland weder seinen Wohnsitz, noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, ist grundsätzlich beschränkt steuerpflichtig. Einkünfte aus nicht-selbständiger Arbeit werden in diesem Fall in der Regel bereits durch den Lohnsteuerabzug einkommensteuerrechtlich abgegolten. Eine gesonderte Einkommensteuererklärung ist dann nicht erforderlich. Anders ist das jedoch, wenn ein Pflichtveranlagungstatbestand vorliegt, der eine gesonderte Veranlagung zu Einkommensteuer erforderlich macht oder wenn dies bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen vom Steuerpflichtigen beantragt wird.

Mit Wirkung zum 1.1.2020 wurde  § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 EStG  erweitert und findet somit ab dem Veranlagungszeitraum 2020 Anwendung. Hierbei wurde in der Nr. 4 ein neuer Pflichtveranlagungstatbestand unter dem neu eingefügten Buchstaben „c)“ hinzugefügt. Dieser Tatbestand macht nun eine individuelle Einkommensteuerveranlagung für beschränkt Steuerpflichtige zwingend erforderlich, wenn einer der in Buchstabe c) genannten Fallgruppen vorliegt, auf die dort verwiesen wird. Das sind die folgenden Sachverhalte:

  • Der beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer von mehreren (inländischen) Arbeitgebern Arbeitslohn bezieht. (§ 46 Abs. 2 Nr. 2 EStG)
  • Der Arbeitgeber hat die Lohnsteuer auf eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit oder eine Entlassungsentschädigung nach der „Fünftel-Regelung“ ermittelt. ( §46 Abs. 2 Nr. 5 EStG )
  • Der Arbeitgeber die Lohnsteuer von einem sonstigen Bezug berechnet hat und der Arbeitslohn aus früheren Dienstverhältnissen des Kalenderjahres außer Betracht geblieben ist. (§46 Abs. 2 Nr. 5a EStG)

Diese Neuregelung wirkt dann besonders in den Fällen steuererhöhend, in denen die „Fünftel-Regelung“ für außerordentliche Einkünfte (§ 34 EStG) zur Anwendung kommen kann, also vor allem bei Vergütungsanteilen mittels Aktienoptionen oder Restricted Stock Units (RSU) und in den Fällen, in denen eine Abfindung als Entschädigung gezahlt wird.

Auswirkung des Progressionsvorbehalts bei beschränkt Steuerpflichtigen:

Der Grund für eine möglicherweise erhöhte Steuerlast liegt darin, dass  § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG  einen besonderen Steuersatz mit Progressionsvorbehalt für bestimmte Einkünfte von beschränkt Steuerpflichtigen fordert, die eben nicht mit dem einfachen Steuerabzug abgegolten sind. Folglich ist in diesen Fällen eine Einkommensteuererklärung zur Ermittlung des Progressionsvorbehalts erforderlich und der einfache Lohnsteuerabzug reicht nicht aus, um die fällige Einkommensteuer abzugelten. 

In diesem § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 wird ausdrücklich auf § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 EStG verwiesen, so dass deren neu eingefügter Buchstabe c) mit seinen Verweisen (siehe oben) nun ebenfalls unter diesen Progressionsvorbehalt fällt. Das hat zur Folge, dass auch die eigentlich nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden (ausländischen) Einkünfte zumindest im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen sind und die Steuerlast für die inländischen Einkünfte durch den erhöhten Steuersatz deshalb steigt.

Optimierung der Steuerlast durch Beeinflussung des Progressionsvorbehalts:

Abhängig von der individuellen Fallkonstellation kann der Progressionsvorbehalt und der damit verbundene Steuersatz durch geschickte Steuergestaltung optimiert werden. Beispielsweise kann je nach Möglichkeit versucht werden, den  Auszahlungszeitpunkt einer Abfindungszahlung  vorausschauend in ein Jahr zu verlegen, in dem geringe Einkünfte erzielt wurden bzw. erzielt werden. Der erhöhte Steuersatz aufgrund des Progressionsvorbehalts wirkt sich dann nur auf ein geringeres zu versteuerndes Gesamteinkommen aus – folglich fällt somit auch nur eine geringere Steuerlast an. 

Darüber hinaus können durch die Pflicht zur Einkommensteuerveranlagung im Rahmen der Einkommensteuererklärung natürlich auch einkommensmindernde Merkmale geltend gemacht werden, die beim Lohnsteuerabzug im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht eventuell so nicht berücksichtigt werden oder bei denen nicht in dem Umfang die Möglichkeit der steueroptimierenden Gestaltung besteht. Das betrifft beispielsweise einen Spendenabzug oder steuermindernde Vorsorgeaufwendungen im Rahmen der Sonderausgaben sowie das Vorziehen oder das Verschieben von Ausgaben im Rahmen der einkommensmindernden Werbungskosten.

Zusammenfassung:

  • Grundsätzlich ist die Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen mit dem Lohnsteuerabzug abgegolten. Nur wenn ein Pflichtveranlagungstatbestand vorliegt, muss eine gesonderte Einkommensteuererklärung erstellt werden.
  • Mit Wirkung zum 1.1.2020 wurde in § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 EStG der Buchstabe c) neu eingefügt und drei neue Pflichtveranlagungstatbestände geschaffen, die eine gesonderte Veranlagung zur Einkommensteuer erforderlich machen. 
  • Das betrifft nun auch die Fälle des § 46 Abs. 2 Nr. 5 EStG, also Sachverhalte, in denen der Arbeitgeber die Lohnsteuer auf eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit (insbesondere Aktienoptionen) oder eine Entlassungsentschädigung nach der „Fünftel-Regelung“ ermitteln würde.
  • Diese außerordentlichen (ausländischen) Einkünfte sind nun zumindest im Rahmen des Progressionsvorbehalts für die inländisch erzielten Einkünfte des beschränkt Steuerpflichtigen zu berücksichtigen und erhöhen seine Steuerlast.
  • Der Steuerpflichtige kann hier die Möglichkeiten der Steueroptimierung ausnutzen, um seine Steuerlast zu mindern.
  • Beispielsweise kann versucht werden, den Auszahlungszeitpunkt der Abfindung in ein Steuerjahr mit geringeren Einkünften zu verlagern. 
  • Durch die Pflicht zu Abgabe einer Steuererklärung können auch die damit verbunden einkommensmindernden Abzugsmöglichkeiten genutzt werden, die im Rahmen des Lohnsteuerabzugs der beschränkten Steuerpflicht so eventuell nicht geltend gemacht oder beeinflusst werden können.

Hilfe bei steuerrechtlichen Fragen:

Die Besteuerungstatbestände bei beschränkter Steuerpflicht im Zusammenhang mit ausländischen Einkünften sind sehr komplex. Die Steueroptimierung erfordert deshalb besonderes Fachwissen und Erfahrung. Als steuerrechtlich spezialisierte Kanzlei unterstützen wir Sie und vertreten Sie auch vor dem Finanzamt und dem Finanzgericht.

Dr. Patrizia Antoni  ist Fachanwältin für  Steuerrecht  und für  Arbeitsrecht . Sie berät Sie in allen steuerrechtlichen und arbeitsrechtlichen Fragen gerne. Vereinbaren Sie einen Termin in den Büros der Kanzlei AHS Rechtsanwälte in  Köln  oder  Bonn .

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