Schätzung vom Finanzamt
Ein Steuerbescheid kann unwirksam sein, wenn der Schätzungsbescheid nichtig ist. Wenn das Finanzamt eine Schätzung vornimmt, kann es passieren, dass die Zahlen unangenehm hoch ausfallen. Wer dann feststellt, dass die Schätzung vom Finanzamt zu hoch ist, steht oft vor der Frage, ob und wie man sich dagegen wehren kann. Zwar hat die Finanzbehörde einen breiten Ermessensspielraum bei der Schätzung, doch das bedeutet nicht, dass Steuerpflichtige völlig schutzlos sind. Ein Einspruch gegen den Steuerbescheid ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich, um eine Korrektur zu erwirken.
In diesem Beitrag erfahren Sie, wann ein Schätzungsbescheid unwirksam ist und welche rechtlichen Schritte Ihnen offenstehen, um einen unvorteilhaften Steuerbescheid anzufechten oder von Anfang an zu vermeiden.
Wann schätzt das Finanzamt die Besteuerungsgrundlage?
Nach § 162 der Abgabenordnung (AO) kann das Finanzamt kann die Besteuerungsgrundlage schätzen , wenn sie sich nicht ermitteln oder berechnen lässt.
Die wesentlichen Gründe für eine Schätzung vom Finanzamt liegen in der Regel im Bereich des Steuerpflichtigen und sind im § 162 AO aufgeführt.
Sie liegen vor, wenn der Steuerpflichtige:
- keine Steuererklärung abgibt,
- unvollständige Angaben macht,
- keine Bücher oder Aufzeichnungen vorlegt,
- Betriebseinnahmen und Ausgaben in Kassenbüchern wiederholt korrigiert oder widersprüchlich sind,
- eine Versicherung an Eides statt verweigert,
- seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 AO verletzt;
- andere Personen ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 AO nicht erfüllen.
Wenn das Finanzamt die fehlenden Angaben, die zur vollständigen Berechnung der festzusetzenden Steuer notwendig sind schätzt (zum Beispiel die Betriebseinnahmen, die abzuführende Umsatzsteuer, private Entnahmen, die Höhe des zu versteuernden Gewinns, die Nutzungsdauer von Wirtschaftsgütern oder deren Wert usw.), dann wird diese Schätzung in der Regel negativ für den Steuerpflichtigen ausfallen.
Das Finanzamt kann nämlich bei der Schätzung eine Art Sicherheitszuschlag erheben und hat einen weiten Einschätzungsspielraum . Deshalb führen auch selbst grobe Schätzungsfehler oder die Verkennung von tatsächlichen Gegebenheiten grundsätzlich bloß zur Rechtswidrigkeit des Steuerbescheids.
Außerdem kann das Finanzamt einen Verspätungszuschlag von bis zu zehn Prozent der festzusetzenden Steuer erheben, vgl. § 152 AO .
Aus diesem Grund sollte ein Schätzungsbescheid schon im Vorfeld vermieden werden oder frühzeitig Rechtsmittel gegen den rechtswidrigen Schätzungsbescheid erhoben werden.
Einspruch gegen Steuerbescheid
Das Finanzamt soll den Schätzungsbescheid und die damit verbundene Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen, vgl. § 164 AO . Das bedeutet, dass der Steuerpflichtige jederzeit eine Änderung oder Aufhebung des Steuerbescheids beantragen kann, solange dieser noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht.
Ein Einspruch auf den Steuerbescheid innerhalb der Einspruchsfrist - in der Regel einen Monat nach Bekanntgabe des Steuerbescheids - hat den Vorteil, dass hierdurch auch die Aussetzung der Vollziehung erreicht wird, vgl. § 361 AO . Somit muss der Steuerpflichtige die festgesetzte Steuer zunächst nicht zahlen.
Wird erst nach Ablauf der Einspruchsfrist gegen den Steuerbescheid vorgegangen, weil dieser noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht, setzt dies die Vollziehung grundsätzlich nicht aus. Der Steuerpflichtige kann zwar eine Änderung oder Aufhebung beantragen – die festgesetzte Steuer muss er aber bis zu einer Entscheidung seines Antrags zunächst trotzdem leisten.
Außerdem muss § 173 AO beachten werden. Demnach kann eine steuermindernde Aufhebung oder Änderung nach Ablauf der Einspruchsfrist nur erreicht werden, wenn neue (steuermindernde) Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der neuen Tatsachen oder Beweismittel trifft.
Von einem groben Verschulden wird aber regelmäßig ausgegangen, wenn der Steuerpflichtige seiner Auskunfts- und Mitwirkungspflichtig nicht rechtzeitig nachgekommen ist und auch die Einspruchsfrist versäumt hat. Deshalb kann auch ein rechtswidriger Steuerbescheid nach Ablauf der Einspruchsfrist in vielen Fällen vollendete Tatsachen für den Steuerpflichtigen schaffen.
Ein nichtiger Steuerbescheid ist aber in der Regel immer unwirksam und es kann die festgesetzte Steuerlast auch nachträglich noch zugunsten des Steuerpflichtigen herabgesetzt werden.
Nichtigkeit des Verwaltungsaktes
Aufgrund des hohen Spielraums bei der Schätzung von Angaben, die zur Festsetzung der Bemessungsgrundlage nötig sind, ist eine Nichtigkeit des Steuerbescheids nach § 125 Abs. 1 AO nur in Ausnahmefällen anzunehmen.
Nach § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt nichtig , wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies zudem bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist.
Ein schwerwiegender Fehler i.S. des § 125 Abs. 1 AO liegt vor, wenn die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem so hohen Maße verletzt wurden, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen.
Wann solch ein Fall gegeben ist, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab.
Beispielsweise weil das Finanzamt überhaupt keine Anstrengungen unternommen hat, um eine zutreffende Schätzung vorzunehmen und die Finanzbehörde willkürlich die Bemessungsgrundlage festgesetzt hat.
Das Finanzgericht Köln hat in FG Köln 11 K 3056/11 einen Umsatzsteuerbescheid für nichtig erklärt, weil das Finanzamt die Umsatzsteuer ohne nähere Begründung um das 25-fache der angegebenen Bemessungsgrundlage angehoben hat. Hierbei ging das Gericht davon aus, dass das Finanzamt bewusst und willkürlich zum Nachteil des Steuerpflichtigen geschätzt hat und der Steuerbescheid deshalb nichtig sei.
Nichtigkeit liegt auch vor, wenn das Schätzungsergebnis trotz vorhandener Möglichkeiten, den Sachverhalt aufzuklären und die Schätzungsgrundlagen zu ermitteln, krass von den tatsächlichen Gegebenheiten abweicht und in keiner Weise erkennbar ist, dass überhaupt und gegebenenfalls welche Schätzungserwägungen angestellt wurden.
Zusammenfassung Schätzung vom Finanzamt
- Das Finanzamt kann die Besteuerungsgrundlage nach § 162 AO schätzen, wenn sie sich nicht ermitteln oder berechnen lässt.
- Eine Schätzung ist in der Regel nachteilig für den Steuerpflichtigen, weil das Finanzamt bei der Schätzung einen Sicherheits- und Verspätungszuschlag erheben darf und darüber hinaus einen weiten Spielraum für die Schätzung selbst hat.
- Der Steuerbescheid, der auf einer Schätzung beruht, ergeht grundsätzlich unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. In diesem Zeitraum kann jederzeit eine Aufhebung oder Änderung beantragt werden.
- Günstiger ist es jedoch, bereits innerhalb der einmonatigen Einspruchsfrist gegen den Steuerbescheid vorzugehen, da nur dann eine Aussetzung der Vollziehung erreicht wird.
- War der Steuerbescheid wegen falscher Schätzung rechtswidrig, dann ist eine Herabsetzung der Steuer nach Ablauf der Einspruchsfrist und während des Vorbehalts der Nachprüfung aber nur möglich, wenn den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der steuermindernden Tatsachen oder Beweise trifft.
- Nur bei Nichtigkeit des Steuerbescheids ist auch eine nachträgliche Herabsetzung der Steuerlast nach Ablauf der Einspruchsfrist und trotz Verschuldens des Steuerpflichtigen möglich.
- Nach § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies außerdem bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist. Diese Voraussetzungen sind nur ausnahmsweise gegeben; in der Regel ist ein rechtswidriger Verwaltungsakt lediglich anfechtbar.
Rechtliche Hilfe bei zu hoher Schätzung vom Finanzamt
Schätzungen vom Finanzamt sind oftmals sehr hoch, weshalb der Schätzungsbescheid in den allermeisten Fällen nachteilig für den Steuerpflichtigen ist. Betroffene können die Steuerlast merklich senken, wenn erfolgreich gegen den Steuerbescheid vorgegangen wird. Hierbei sind verfahrensrechtlich sehr spezielle Voraussetzungen zu beachten, die ohne fundierte Kenntnisse im Steuer- und Verfahrensrecht von Laien kaum rechtssicher beherrscht werden.
Unsere Fachanwälte für Steuerrecht helfen Ihnen gerne bei Ihrer Steuererklärung und vertreten Sie gegenüber dem Finanzamt und dem Finanzgericht.