Überstundenvergütung nach BAG 5 AZR 359/21
Überstunden sind immer wieder ein Streitthema zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Leistet ein Arbeitnehmer mehr Stunden, als er vertraglich schuldet, spricht man von Überstunden oder Mehrarbeit. Sammelt er davon viele an, stellt sich die Frage, inwieweit der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden kompensieren muss. Wer die geleistete Arbeitszeit tatsächlich darlegen und im Zweifel beweisen muss, war Hintergrund eines Rechtsstreits, den das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden hat ( Urt. v. 04.05.2022, Az. 5 AZR 359/21 ).
Darleungs-und Beweispflicht
Arbeitnehmer haben nur dann einen Anspruch auf Vergütung der Überstunden, wenn diese vom Arbeitgeber angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt wurden, dies entschied nun das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 04.05.2022- BAG 5 AZR 359/21:
Der Arbeitnehmer hat konkret darzulegen, an welchen Tagen und zu welchen Zeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Dies wurde bereits zuvor vom Bundesarbeitsgericht entschieden (BAG, Urt. v. 16.5.2021, Az.: 5 AZR 347/11 ; BAG, Urt. v. 26.6.2019, Az.: 5 AZR 452/18 ). Dabei muss der Arbeitnehmer zudem angeben, welche Tätigkeit ausgeübt wurde und dass die Ableistung der Überstunden von seinem Arbeitgeber angeordnet oder zumindest diesem bekannt und von ihm gebilligt worden sind. Dies muss der Arbeitgeber auch erwidern und Stellung nehmen, man spricht dabei von der sog. abgestuften Darlegungs- und Beweislast.
Entscheidung des BAG
Dies machte das BAG jetzt deutlich und wies die Klage eines Lieferfahrers auf Vergütung seiner Überstunden ab.
Der Fahrer hatte Beginn und Ende seiner täglichen Arbeitszeit mit einer technischen Zeitaufzeichnung erfasst. Nicht erfasst von diesem System wurden seine Pausenzeiten. Als das Arbeitsverhältnis endete, hatte der Fahrer 348 Überstunden angehäuft. Er verlangte daraufhin vom Arbeitgeber die Vergütung dieser Überstunden. Die Überstunden entstanden, da der Fahrer keine Pausen einlegte, um alle Auslieferungen rechtzeitig zu erledigen. Zunächst hatte das Arbeitsgericht Emden der Klage vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH stattgeben. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hatte das Urteil jedoch gekippt und die Klage mit Ausnahme der vom ehemaligen Arbeitgeber abgerechneten Überstunden abgewiesen. Die Revision des Fahrers hatte sodann am BAG keinen Erfolg.
Stechuhr- Urteil
An der Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers für geleistete Überstunden hat das Urteil des EuGH nichts geändert. Der EuGH hatte mit Urteil vom 14. Mai 2019, sogenannte Stechuhr-Urteil entschieden, dass Arbeitgeber die volle Arbeitszeit ihrer Beschäftigten täglich systematisch erfassen müssen ( Az.: C-55/18 ).
Das Urteil des EuGH hat jedoch nichts an der Darlegungspflicht des Arbeitnehmers zu Überstunden geändert:
Denn nach dessen Rechtsprechung beschränkten sich die Anwendung des Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und von Art. 31 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union darauf, Umstände der Arbeitszeitgestaltung zum Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer zu regeln, ohne Auswirkungen auf die Arbeitsvergütung zu haben. Die Pflicht zur Messung der täglichen Arbeitszeit berührt auch nicht die Vergütung der Arbeitszeit. Der Kläger hätte laut BAG auch nachweisen müssen, warum die Überstunden nötig gewesen seien und er keine Pausen machen konnte. Der Fahrer konnte dies nicht ausreichend belegen. Eine bloße pauschale Behauptung genügte nicht, der Arbeitnehmer muss den Umfang der Arbeiten näher beschreiben können.
Eine Zeiterfassung, die nur Beginn und Ende der Arbeitszeit aber keine Pausen erfasst, reicht nicht aus. Da der Arbeitgeber nur für die Vergütung von ihm veranlasster Überstunden verpflichtet ist.
Fazit
- Der Arbeitgeber muss Vergütung nur für von ihm veranlasste Überstunden zahlen;
- Arbeitnehmer müssen vortragen;
- dass der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt hat;
- Diese vom BAG entwickelten Grundsätze zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für die Leistung von Überstunden durch Arbeitnehmer und deren Veranlassung durch den Arbeitgeber werden durch die auf Unionsrecht beruhende Pflicht zur Einführung eines Systems zur Messung der vom Arbeitnehmer geleisteten täglichen Arbeitszeit nicht verändert.