Für wen gelten Tarifverträge?
Der Tarifvertrag genießt aufgrund der Tarifautonomie in der Bundesrepublik Deutschland eine überragende Bedeutung in der wirtschafts- und arbeitsrechtlichen Praxis. Ein Tarifvertrag regelt häufig den größten Teil der rechtlichen Voraussetzungen und Ansprüche, die auf die Arbeitsverhältnisse der einzelnen Beschäftigten eines Unternehmens anzuwenden sind.
Hierbei stellt sich jedoch zunächst immer die Frage, wann und für wen ein Tarifvertrag überhaupt gilt . Darüber hinaus widersprechen sich der Arbeitsvertrag und der Tarifvertrag häufig in bestimmten Punkten.
Der folgende Beitrag erklärt deshalb wann ein Tarifvertrag auf ein Arbeitsverhältnis anwendbar ist. Zudem wird aufgezeigt, welche Rolle die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft oder einem Arbeitgeberverband spielt und wie diese die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags beeinflusst.
Woher weiß ich ob mein Arbeitgeber tarifgebunden ist?
Ein Tarifvertrag wird zwischen den beiden Tarifvertragsparteien geschlossen. Das ist auf der einen Seite ein Zusammenschluss von Vertreter der Arbeitnehmer, in der Regel eine Gewerkschaft oder Arbeitnehmervertreter eines Betriebs. Auf der anderen Seite steht entweder der Arbeitgeber selbst (dann handelt es sich um einen Firmentarifvertrag ) oder, was häufiger vorkommt, um einen Zusammenschluss von Vertretern der Arbeitgeber, die sogenannten Arbeitgeberverbände.
Wenn der Arbeitgeber Mitglied des Arbeitgeberverbandes ist, dann ist in der Regel der Arbeitgeber tarifgebunden und der ausgehandelte Tarifvertrag gilt unmittelbar für seinen Betrieb. Es gibt aber auch Mitgliedschaften in Arbeitgeberverbänden, die den Arbeitgeber nicht an die abgeschlossenen Tarifverträge binden (so genannte OT-Mitgliedschaft).
Verhandlung von Tarifverträgen
Durch die Tarifautonomie ist es den Tarifparteien gestatten, die rechtlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der Arbeitsverhältnisse selbst auszuhandeln. Das gilt natürlich nur im Rahmen der geltenden Gesetzte, zum Beispiel unter Einhaltung der Vorschriften zum Mindestlohn oder dem gesetzlichen Mindestmaß an Urlaubsanspruch .
Im Prinzip können im Tarifvertrag alle denkbaren Punkte ausgehandelt und festgesetzt werden, die das Arbeitsverhältnis betreffen, denn § 1 Tarifvertragsgesetz (TVG) besagt: " Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können."
Mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmer in Deutschland unterliegen einem Branchen- oder Firmentarifvertrag . Aber selbst dort, wo ein Tarifvertrag nicht unmittelbar anwendbar ist, weil kein Tarifvertrag zwischen den Arbeitsparteien abgeschlossen wurde, orientieren sich viele Arbeitgeber an einem Tarifvertrag und verweisen im Arbeitsvertrag auf einen geltenden Tarifvertrag .
Wann findet der Tarifvertrag Anwendung im Arbeitsverhältnis?
Gegenseitige Tarifbindung
Ein Tarifvertrag ist auf das Arbeitsverhältnis unmittelbar und zwingend anzuwenden, wenn sowohl Arbeitnehmer, als auch der Arbeitgeber tarifgebunden sind . Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer Mitglied der Gewerkschaft (oder Arbeitnehmervertretung) sein muss, die den Tarifvertrag mit dem Arbeitgeberverband des Arbeitgebers oder dem Arbeitgeber selbst ausgehandelt hat. Vgl. hierzu die § 3 und § 4 Tarifvertragsgesetz (TVG) .
Arbeitsvertrag verweist auf Tarifvertrag
Auch wenn Arbeitnehmer und/oder Arbeitgeber nicht tarifgebunden sind , können die Regelungen aus einem Tarifvertrag Anwendung auf das Arbeitsverhältnis finden. Das ist regelmäßig der Fall, wenn im Arbeitsvertrag vollständig oder teilweise auf einen Tarifvertrag verwiesen wird. Beispielsweise durch folgenden Formulierung im Arbeitsvertrag: „ Auf dieses Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten im Einzelhandel NRW in der jeweils aktuellsten Fassung Anwendung. “
In diesem Fall sind alle Vereinbarungen aus diesem Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis anwendbar. Es ist auch möglich, nur in Bezug auf bestimmte Punkte auf einen Tarifvertrag zu verweisen, beispielsweise durch diese Formulierung: „… bzgl. der Kündigungsfristen gelten die §§ 8 und 9 des Tarifvertrags XY... ".
Gilt der Tarifvertrag dann nur für Gewerkschaftsmitglieder?
Arbeitsverträge die auf Vereinbarungen aus einem Tarifvertrag verweisen, gelten in der Regel nicht nur für Gewerkschaftsmitglieder . Arbeitgeber gewähren normalerweise allen Arbeitnehmern im Betrieb, also auch denen, die nicht tarifgebunden sind, alle Vorteile des ausgehandelten Tarifvertrags. Der Grund liegt darin, dass den Mitarbeitern, die nicht Mitglied einer Gewerkschaft sind, kein zusätzlicher Anreiz geboten wird, Mitglied einer Gewerkschaft zu werden und diese dadurch weiter zu stärken. Deshalb gilt der Tarifvertrag durch sogenannte Gleichstellungsabreden im Arbeitsvertrag regelmäßig auch für die nichttarifgebundenen Arbeitnehmer.
Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrags
Wenn die Tarifvertragsparteien einen Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrages beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales stellen, dann kann das Ministerium den entsprechenden Tarifvertrag für einen bestimmten Geltungsbereich als allgemeinverbindlich erklären, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt, vgl. § 5 TVG . In diesem Fall sind die Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die in den Geltungsbereich dieses allgemeinverbindlichen Tarifvertrags fallen, zwingend an den Tarifvertrag gebunden und können dies auch nicht mehr einzelvertraglich ausschliessen.
Abweichung von einem Tarifvertrag
Wenn ein Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist, dann sind dessen Regelungen zwingend und unmittelbar, vgl. § 4 Abs. 1 TVG. Insbesondere, wenn der Tarifvertrag wegen gegenseitiger Tarifbindung oder Allgemeinverbindlichkeit auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist, kann hiervon nur dann zu Lasten des Arbeitnehmers abgewichen werden, wenn der Tarifvertrag dies ausdrücklich durch eine Öffnungsklausel zulässt. Andernfalls ist eine Abweichung vom Tarifvertrag ohne Zustimmung des Arbeitnehmers nicht zulässig .
Bei einer rein arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag kann nachträglich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart werden, dass der Tarifvertrag im Ganzen oder in Bezug auf einzelne Punkte nicht mehr angewandt wird. Hierfür muss der Arbeitnehmer aber zustimmen.
Andernfalls sind nur solche Abweichungen vom Tarifvertrag wirksam, die vorteilhaft für den Arbeitnehmer sind. Wenn beispielsweise eine Regelung im Arbeitsvertrag dem Arbeitnehmer eine höhere Jahresprämie garantiert, dann hat der Arbeitnehmer wegen des sogenannten Günstigkeitsprinzip (vgl. § 4 Abs. 3 TVG) einen Anspruch auf die höhere Jahresprämie.
Zusammenfassung
- Ein Tarifvertrag wird zwischen den Tarifvertragsparteien abgeschlossen. In der Regel Arbeitnehmervertreter / Gewerkschaften und Arbeitgeber/ Arbeitgeberverbände.
- Durch die Tarifautonomie ist es den Tarifparteien gestatten, die rechtlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der Arbeitsverhältnisse selbst auszuhandeln.
- Ein Tarifvertrag ist auf ein Arbeitsverhältnis anwendbar bei gegenseitiger Tarifbindung, arbeitsvertraglicher Bezugnahme oder durch Allgemeinverbindlichkeit.
- Arbeitsverträge die auf Vereinbarungen aus einem Tarifvertrag verweisen, gelten in der Regel für alle Arbeitnehmer im Betrieb.
- Wenn ein Tarifvertrag auf ein Arbeitsverhältnis anwendbar ist, kann von ihm nur durch eine spezielle Öffnungsklausel oder das Günstigkeitsprinzip abgewichen werden.
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Die Ansprüche aus Tarifverträgen sind für den Laien regelmäßig nicht klar zu bestimmen, wenn der Arbeitsvertrag widersprüchliche Rechte und Pflichten enthält. Häufig ist auch nicht klar, ob die Regelungen aus einem Tarifvertrag überhaupt Anwendung auf das Arbeitsverhältnis finden.
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